Mein erstes Fotofestival – eine Woche auf dem Rencontres d'Arles

Maitreya, Praktikantin bei SHIFT BOOKS, berichtet über ihre Erlebnisse mit dem Team bei einem der größten Fotofestivals Europas.

Festival Banner, Rencontre d'Arles 2024, © Maitreya Ravenstar

Info

Rencontres d’Arles
1. Julie – 29. September 2024
in Arles, Frankreich

Normalerweise erwartet man nicht, dass man auf einer Arbeitsreise der 30-Grad-Sommerhitze im Untergeschoss einer antiken römischen Krypta entkommt, aber letzte Woche haben wir mit SHIFT BOOKS auf der Rencontre d’Arles genau das getan. Die neueste Ausstellung von Sophie Calle war im Kryptoportikus der Stadt zu sehen. Sie zeigte ihre Sammlung von Porträts sehbehinderter Menschen und deren Wahrnehmung von Schönheit, definiert. Die Porträts waren mit ihren eigenen Zitaten konfrontiert, die auf dem Boden gegen den kalten Stein gelehnt waren und sich auf Wunsch der Künstlerin in der Nähe von Pfützen mit unterirdischem Wasser langsam zersetzten. Dies war nur eine von über 50 Ausstellungen in der Stadt, die Van Goghs Gemälde und die Umgebung inspirierten. Wir verbrachten die Woche damit, so viele Ausstellungen wie möglich zu besuchen, und sahen uns die Vielfalt der Fotografie an, z. B. die Retrospektive traditioneller Dokumentarfotografie von Mary Ellen Mark, die eher konzeptionellen, sozial motivierten Arbeiten von Debi Cornwall, die den beunruhigenden Einsatz von Macht in den Vereinigten Staaten erforschen, und die geschmackvollen Stillleben von Ishiuchi Miyako, die die Besitztümer ihrer verstorbenen Mutter festhalten.

Sophie Calle’s Ausstellung, »Neither Give Nor Throw Away«, Rencontre d’Arles 2024, © Maitreya Ravenstar

Starßenansicht in Arles, © Maitreya Ravenstar

Patti Smith von Mary Ellen Mark in ihrer Ausstellung »Encounters«, Rencontre d’Arles 2024, © Maitreya Ravenstar

Ich absolviere diesen Sommer ein Praktikum bei SHIFT BOOKS, wohne aber in New York und besuche dort die Schule. Deshalb fand ich es richtig spannend, eines der größten europäischen Fotofestivals zu besuchen. Es gab nicht nur jede Menge Ausstellungen, sondern auch viele Vorträge, Führungen und Signierstunden. Ich wollte unbedingt von den vielen Infos profitieren, die den Besucher:innen während der gesamten Woche zur Verfügung standen. Am meisten beeindruckt hat mich Cristina De Middels Ausstellungsrundgang zu ihrem Projekt »Journey to the Center«. Darin stellt sie die Migration von Mittelamerika in die Vereinigten Staaten als eine Art Heldenreise dar, mit Anspielungen auf den Roman »Journey to the Center of the Earth«.

Die Künstlerin sprach über die gegensätzlichen Sichtweisen der Amerikaner auf Mexiko, die das Land einerseits als natürliche Oase der Schönheit und des Abenteuers sehen, „in der alles möglich ist“, und andererseits die Einwander:innen, die von dort kommen, verachten und sogar fürchten. Sie reflektiert diese Spannung durch surreale Bilder des „offiziellen“ Zentrums der Welt, einer kleinen Stadt in Kalifornien mit Blick auf den Grenzzaun, ein Porträt einer Frau, die wenige Stunden vor dem Grenzübertritt einen Pullover mit dem Gesicht von Donald Trump trägt, und Fotos von mexikanischen Sportler:innen, die neben der Mauer trainieren; ein Bild zeigt einen Mann, der bereit ist, Stabhochsprung über die Mauer zu machen. Die Anekdoten und Gedankengänge der Künstlerin zu hören, hat mir ein tieferes Verständnis für die Serie vermittelt, deren Thema in meiner Heimat so relevant und wichtig ist.

Ausstellungsansicht von Cristina de Middel, »Journey to the Center«, Rencontre d’Arles 2024, © SHIFT BOOKS

Ausstellungsansicht von Cristina de Middel, »Journey to the Center«, Rencontre d’Arles 2024, © SHIFT BOOKS

Der Ort von »Starry Night Over the Rhône« von Vincent van Gogh, Arles, © Maitreya Ravenstar

Kawauchi Rinko, Gruppenausstellung »I’m So Happy You Are Here«, Rencontre d’Arles 2024, © Maitreya Ravenstar

Martha Cooper, Gruppenausstellung »All in the Name of the Name« , Rencontre d’Arles, 2024, ©Maitreya Ravenstar

Für mich war die Vielzahl der während des gesamten Festivals ausgestellten und verkauften Fotobücher natürlich das Highlight. Es gab zum Beispiel die Arles Book Fair, die sich über zwei Standorte erstreckte. Außerdem gab es den Luma Rencontres Dummy Book Award und den Rencontres d’Arles Books Award. Für diese beiden Awards wurden alle Nominierten im Luma-Museum ausgestellt. Und dann gab es noch den Fotobus Society Library Award. Für diesen Award kam Solomiya Nr. 3 von SHIFT BOOKS in die engere Wahl. Es war echt beeindruckend, so viele verschiedene Beispiele dafür zu sehen, was ein Fotobuch sein kann, vereint an einem Ort. Alle Verkäufer:innen waren sehr zugänglich und haben Fragen beantwortet. Man konnte die Bücher auch anfassen und durchblättern. Ich habe mir als Erinnerung ein Buch des australischen Fotografen Max Pam gekauft, „The Contingency of Eye Contact”, das für den Rencontres d’Arles Books Award nominiert war. Ich hab dem Verkäufer dann gesagt, dass ich das Buch in der Auslage gesehen hatte. Er ist mir dann hinterhergelaufen, nachdem ich den Tisch verlassen hatte, um mir den Nominierten-Aufkleber zu geben, falls ich ihn als Souvenir zum Buch haben wollte.

Abgesehen von all den unbeschreiblichen Fotografien, die ich in dieser Woche gesehen habe, war allein der Aufenthalt in Arles ein wahres Wunder. Ich konnte am Ufer der Rhône sitzen, durch ein antikes römisches Kolosseum laufen und Lavendeleis aus der Provence essen. Von Hunderten anderer Fotoenthusiast:innen umgeben zu sein, war ein so surreales und neues Gefühl für mich; ich verließ Arles ebenso inspiriert von den Bildern, die ich sah, und den Künstler:innen, die sie gemacht haben, wie von den unsichtbaren Kurator:innen, Buchmacher:innen und Bauarbeiter:innen, die das alles möglich gemacht haben. Ich hoffe, ich kann bald wiederkommen.

Signiertes und gewidmetes Buch »The Last Resort« von Martin Parr, Rencontre d’Arles 2024, © Maitreya Ravenstar

Maitreya Ravenstar absolviert ein Praktikum bei SHIFT BOOKS und studiert Multimedia-Journalismus am Skidmore College.

Maitreya ist seit 2022 als Nachrichtenassistentin für das Büro für Marketing und Kommunikation des Skidmore College tätig. Ihre Publikation „but as the clouds descended on us, I could see you” wurde für den Printed Matter’s Decolonization, Resistance, and Interconnected Solidarity Tisch ausgewählt und Ihre Artikel wurden vom School Renewal Journal, IES Abroad und Scope Magazine veröffentlicht.

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